Funktionale Sicherheit für Medizinprodukte gemäß MDR: Anforderungen und Umsetzungsbeispiel
Was die Automobil- oder Prozessindustrie schon seit vielen Jahren als funktionale Sicherheit kennt, wird nun erstmals auch in der MDR (Medical Device Regulation) für Medizinprodukte erwähnt. Die Medizinprodukteverordnung fordert damit, dass Aspekte der funktionalen Sicherheit bei der Produktentwicklung ausreichend berücksichtigt werden. Das gilt sowohl für neue als auch bereits auf dem EU-Markt zugelassene Medizinprodukte.
Und auch wenn die Übergangsfristen der MDR zuletzt immer wieder verlängert wurden: Es besteht akuter Handlungsbedarf für Hersteller, um die Zulassung auf dem EU-Markt zu sichern. Für einen Kunden haben wir die funktionale Sicherheit für einen bereits zugelassenen AED umfassend analysiert – und einen effektiven Prozess zur Bewertung der funktionalen Sicherheit entwickelt.
Was heißt eigentlich funktionale Sicherheit?
Die Fehlfunktion eines medizinischen Geräts kann über Leben und Tod entscheiden. Ziel muss es daher sein, dass das Gerät zuverlässig funktioniert und technische Fehler, die zu einer Gefährdung führen könnten, schnell erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Demnach sind in der Entwicklung Sicherheitsfunktionen einzuplanen, die eine Gefährdung des Patienten vermeiden. Potenzielle Gefährdungssituationen müssen benannt und entsprechende Risiken analysiert werden. Zudem müssen risikomindernde Maßnahmen über den gesamten Lebenszyklus des Geräts hinweg greifen, beispielsweise durch
- regelmäßige Software-Updates,
- die Verwendung von besonders hochwertigen, sicheren Bauteilen oder
- den Einsatz von Überwachungsmechanismen wie Watchdogs, um kritische Funktionen zu kontrollieren.
Wie erfolgt der Nachweis?
Was die wenigsten wissen: Erneute Tests sind bei bereits zugelassenen Geräten nicht immer notwendig. Es lässt sich auch anhand bestehender Unterlagen nachweisen, dass funktionale Sicherheit ausreichend berücksichtig wurde und kein technischer Handlungsbedarf besteht.
In einigen Produktnormen für Medizingeräte ist die Gewährleistung der funktionalen Sicherheit implizit enthalten. Genau daran hat ein Corscience-Team gearbeitet. Für einen Bestandskunden analysierten unsere Experten die komplette Konformitätsakte sowie die technische Dokumentation, sichteten relevante Normen (z. B. DIN EN 60601-2-4 und IEC 61508) und kamen zum Schluss, dass der betreffende AED den Anforderungen an die funktionale Sicherheit genügt, wie etwa der Sicherstellung der wesentlichen Leistungsmerkmale laut betreffender Produktnorm. Die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls durch Erst- oder Mehrfachfehler sowie die Zeitspanne bis zur Fehlerdetektion und die Selbsttestintervalle sind ausreichend gering, auch die Fehlertoleranzzeit bis zum Erreichen eines sicheren Zustands. Dies konnte das Team dank einer umfassenden GAP-Analyse nachweisen. Demnach kann der Kunde für das Gerät nun die Zulassung nach der MDR beantragen.
Der Schlüssel zu einer erneuten Zulassung von Bestandsprodukten nach MDR liegt in
- der nahtlosen Dokumentation technischer Spezifikationen, Testberichten, Datenblättern und weiteren technischen Unterlagen.
- einer gründlichen Risikoanalyse und einem definierten Risikomanagementplans nach ISO 14971.
- der Konformität mit Normen und Standards (z. B. IEC 60601-1).
- den Berechnungen für Wahrscheinlichkeiten von Eintrittszeiten, für Erst- und Mehrfachfehler.
- ggf. erneuten Tests.
Diese Strategie haben wir in unsere eigenen Prozesse überführt und wenden diese bei der Entwicklung und Zulassung von Neutechnologien an.